Das Thema Klopapier hat noch eine ganz andere Seite. Für die Abwasserversorgung ergeben sich Probleme, wenn zuviel oder völlig falsches Papier (z. B. Feuchttücher) als Klopapier genommen werden. Der Regen der vergangenen Wochen hat die Regenüberlaufbecken gefüllt. Nun werden sie wieder entleert – und oft kommen die Pumpen an die Grenzen. In Dietzhölztal und Eschenburg sind allein an diesem Wochenende zwei Pumpen ausgefallen. Die Störungen müssen nun für teuer Geld behoben werden.
Innerhalb der letzten Woche gingen beim Lahn-Dill-Kreis mehrfach Störungsmeldungen am Abwasserpumpwerk in Hohenahr-Ahrdt ein. Immer wieder fallen einzelne Schmutzwasserpumpen aus. Das Abwasser kann nicht mehr ungehindert abfließen. Genauso die Rückmeldung unterschiedlicher Kläranlagenbetreiber im Landkreis. Rohre sind beinahe täglich verstopft. Hintergrund ist ein massiver Anstieg im Verbrauch von Feuchttüchern. Diese sind nämlich in unüblich großen Mengen in den Anlagen zu finden und verstopfen die Pumpen und Rohrleitungen.
Da aufgrund der Corona-Lage aktuell immer mehr Menschen im Lahn-Dill-Kreis zuhause bleiben und jetzt auch zuhause arbeiten, sind die Abwasserpumpen einer neuen Belastung ausgesetzt – die im Normalfall kein Problem für die Pumpwerke darstellt, würden die Menschen auf die Nutzung von feuchtem Toilettenpapier verzichten.
Anders als herkömmliches Toilettenpapier, zersetzen sich Feuchttücher kaum. Sie bestehen in den meisten Fällen aus einem Vliesstoff und enthalten zusätzliche Hilfsstoffe wie z. B. Weichmacher. Zusammen mit anderen Inhaltsstoffen der Kanalisation bilden sich dadurch lange, verfilzte und extrem reißfeste Stränge, die sich in den Pumpen festsetzen und diese zum Stillstand bringen. Auch Fett im Abwasser führt immer wieder dazu, dass die Rohre im Abwasserpumpwerk verstopfen. Fette lagern sich an den Innenwänden der Rohre ab. In Kombination mit zum Beispiel vorbei schwimmendem Toilettenpapier kann der Kanal komplett zuwachsen und verstopfen.
Bürgerinnen und Bürger werden deshalb gebeten Folgendes zu beachten:
- Benutzte Feuchttücher (Vlies, o. a.) sollten immer über den Hausmüll entsorgt werden, niemals über die Kanalisation.
- Alternativ kann Toilettenpapier befeuchtet oder Feuchttücher aus Papier verwendet werden.
- Es wird empfohlen, Mehrwegartikel wie Baumwolltücher oder Waschlappen zu verwenden.
Mit diesen Verhaltensweisen kann jeder ganz einfach einen kleinen Beitrag für einen störungsfreien Betrieb der Abwasserbeseitigungsanlagen leisten.
Rohrverstopfung vermeiden, Kosten sparen
Das bringt Rohre zum Verstopfen und darf nicht ins Abwasser: Fett und Speiseöl, große Mengen Speisefett (Frittierfett aus der Fritteuse usw.), Windeln, feuchtes Toilettenpapier, Hygieneartikel, Zigarren- und Zigarettenreste, Katzenstreu, Watte und Wattestäbchen, Rasierklingen oder Kleintiersand sind nur einige Beispiele für Abfälle, die in jedem Fall über die Mülltonne entsorgt werden sollten. Sie verstopfen die Kanalisation. Außerdem verursacht ihre Entsorgung über die Kanalisation hohe Kosten.
Quelle: Pressemitteilung Lahn-Dill-Kreis
Für den Abwasserverband „Obere Dietzhölze“ ergänzt Betriebsleiter Andreas Wendel: „Grundsätzlich ist das Problem mit den Feuchttüchern in den letzten fünf Jahre schlimmer geworden“. Der gemeinsame Verband der Gemeinden Eschenburg und Dietzhölztal hat noch das Glück, dass nahezu alles Wasser, was „oben“ von Rittershausen kommt, im freien Gefälle bis zur Kläranlage in Eibelshausen läuft. „Wir müssen das Wasser nicht erst noch heben, wie viele andere Städte, Verbände und Kommunen. Dort sind nahezu permanent die Pumpwerke von Hebeanlagen gestört“, vergleicht der Abwassermeister.
Die Feuchttücher treffen den Abwasserverband „Obere Dietzhölze“ aber im Kanal. Für das Beheben von solchem Beiwerk müssen Spülfahrzeuge ran, das bedeutet Kosten von 5.000 € bis 10.000 € im Jahr. Das schwankt je nachdem, ob es ein sehr trockenes oder feuchtes Jahr ist.
Regenbecken werden verstopft
Zudem sind die Regenbecken anfällig für „Verstopfungen“. Die dort verbauten Pumpen stammen aus der Mitte der 80er Jahre. Es ist nach einem Regen kaum noch möglich, ein Becken ohne Störung zu entleeren. Pro Entleerungszyklus muss ein Pumpwerk zwei bis dreimal geöffnet und gereinigt werden. 2020 will der Abwasserverband mit der Firma HOMA beim RÜB 25 (das ist das Becken auf der Kläranlage Eibelshausen) ein Versuch mit einer speziellen Pumpentechnik starten. Wegen der Corona-Krise, in der ein krisensicherer Notbetrieb gestaltet werden muss, wird der Versuch erst einmal verschoben werden.
Um die Technik für die Zukunft zu rüsten, hat der Abwasserverband „Obere Dietzhölze“ im kommenden Bauprogramm (2021-2026) rund 45.000 € zum Ertüchtigen der Pumpen vorgesehen. Und mit dem RÜB 25 auf der Kläranlage Eibelshausen soll es beginnen.
Nach dem Regen der zurückliegenden Wochen ist noch so viel Wasser im Kanal, und auch die Becken sind noch voll. Die Entleerung der Becken wird jetzt beginnen. „In der Corona-Krise erwarten wir noch mehr Störungen als sonst in den Pumpwerken der Regenbecken“, sagt Wendel. Am vergangenen Samstag hat die Pumpe begonnen, das Regenüberlaufbecken RÜB 4 in Ewersbach zu entleeren, das in der Nähe der Grundschule im Untergrund liegt. Nach zwei Stunden nur war die Pumpe wegen Verstopfung ausgefallen. Am Sonntag fiel das RÜB 11 bei Mandeln aus. Unter den Bedingungen der Corona-Krise wird es schwer, die Störungen zu beseitigen.
Auf der Kläranlage selbst wurde im Jahr 2018 die größte Störstelle beseitigt, indem die alte Rechengutwäsche gegen eine neue ausgetauscht wurde. Seither gibt es in diesem Bereich keine Probleme mehr. In der nächsten Etappe ist der Austausch der restlichen Feststoff-Rückhaltung (Rechenanlage und Sandwäscher) vorgesehen.
Das Problem mit den Feuchttüchern schleppt sich bis in die Kläranlage hinein. Die Tücher „wandern“ bis in die Biologie hinein und bleiben dort bergeweise liegen. Was dort nicht liegen bleibt, wird über die Überschussschlammentwässerung bis in den Faulturm transportiert. Dort wird mindestens alle zehn Jahre eine Reinigung des Faulturmes notwendig. Kosten hierfür 30.000 €.
„Toilette ist kein Abfalleimer“
Das Pumpwerk in Wissenbach, das das Abwasser des Eschenburger sammelt und zur Kläranlage in Eibelshausen transportiert, wurde in weiser Voraussicht mit einem Feststoff-Zerkleinerer ausgestattet. Diese Maschine läuft immer dann, wenn eine Pumpe Abwasser nach Eibelshausen transportiert. Hier werden sämtliche Störstoffe vorher zerkleinert, so dass diese Anlage seit Inbetriebnahme störungsfrei läuft.
„Wenn man also Feuchttücher und andere feste Stoffe ins Abwasser spült, bekommen wir Problemen und die Kosten steigen enorm“, sagt Betriebsleiter Wendel. „Wir müssten viel häufiger darauf hinweisen, dass die Toilette kein Abfalleimer ist. Dann könnten wir alle viel Geld sparen.“