„Nachhaltige Verwendung des Bürgergeldes“
Den Haushalt für das Jahr 2021 hat Bürgermeister Götz Konrad in die Beratung der Gremien eingebracht mit folgender Rede:
Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren,
unsere Haushaltsberatung möchte ich mit einem Wort von Norbert Blüm beginnen, der am 23. April 2020 gestorben ist, aber unvergessen bleibt. Zum Beispiel für Aussprüche wie diesen:
„Alle wollen den Gürtel enger schnallen,
aber jeder fummelt am Gürtel des Nachbarn herum.“
Wenn ich jetzt den Haushalts-Plan für das Jahr 2021 in die Beratungsfolge einbringen, hat die Beratung schon begonnen. In zwei Ausschüssen haben wir die Bauprogramme und auch schon den Stellenplan vorgestellt.
Das bitte ich immer zu bedenken, wenn wir von Transparenz reden und Verlässlichkeit der Verwaltung. Eine andere Kommune, in der ein Haushalt so durchschaubar dargestellt und umgesetzt wird, muss man lange suchen. Darin ist vorweg auch das Lob und der Dank eingeschlossen an alle, die daran mitgewirkt haben bei der Aufstellung und ebenso an alle, die bei der Beratung, Beschlussfassung und Bearbeitung konstruktiv mitwirken wollen und werden.
Wir legen für Eschenburg im Jubiläums-Jahr 2021 einen Haushalt vor, der im Ergebnis ein Minus von fast 1,4 Millionen Euro trägt. Und dabei ist da noch keine rauschende Geburtstags-Party angesetzt, sondern viel Arbeit.
Mit 942 T€ Negativ-Saldo zwischen Einzahlungen und Auszahlungen gehen wir aus dem Ergebnis in den Finanzhaushalt.
Dort kommen 876 T€ Einzahlungen aus Investitionstätigkeit rein. Das sind die ausstehenden die Beitragszahlungen.
Auszahlungen aus Investitionstätigkeit 3,451 Mio. €. Das sind die Investitionen. Wir investieren fast dreieinhalb Millionen Euro, so viel wie schon lange nicht mehr.
Einzahlungen aus Finanzierungstätigkeit stehen 2,55 Mio. € an. Das ist das Geld, das wir aufbringen müssen. Die Kreditaufnahme.
385 T€ Euro Auszahlungen aus Finanzierungstätigkeit ist die geplante Tilgung.
Wir kommen auf einen Zahlungsmittelfehlbedarf in Höhe von 1,352 Mio. €. Das fehlt also an „echtem Geld“.
Wir werden den Haushalt 2021 im ordentlichen Ergebnis nur durch eine Entnahme aus der Ergebnisrücklage in Höhe von 1.405.000 € ausgleichen können.
Die Ergebnisrücklage hat voraussichtlich zum Jahresende einen Bestand von fast 3,9 Mio. €,
Die Fehlbeträge im Ergebnishaushalt entwickeln sich wie folgt:
2021 1.395.000 €
2022 470.000 €
2023 rechnen wir heute mit einem Überschuss von 138.000 €
2024 mit einem Überschuss von 444.000 €.
Die Fehlbeträge aus dem Zahlungsmittelfluss aus Verwaltungstätigkeit in Höhe von
962.000 € in 2021 und
86.000 € in 2022 können über den Finanzmittelbestand ausgeglichen werden. Am „echtem Geld“ haben wir am Ende diesen Jahres voraussichtlich 2,186 Mio. €.
In der Satzung § 3 sehen wir die Kreditaufnahme mit 2,55 Mio. €
Bei einer Tilgung von 385.000 €
bleibt eine Netto-Neuverschuldung in Höhe von 2.165.000 €
Netto-Neuverschuldung ist nicht verboten, man muss sich das nur leisten und gut begründen können.
Die Vorschrift ist: Der Zahlungsmittelüberschuss aus laufender Verwaltungstätigkeit so hoch sein, dass damit auch die ordentliche Tilgung der Investitionskredite und die Tilgung an die Hessenkasse geleistet werden kann.
Dafür wären in
2021 weitere 385.000 € notwendig
2022 – wenn unser Anteil an der Hessenkasse anläuft – 465.000 €,
2023 602.000 €
2024 818.000 €.
Das soll uns heute zeigen dass der Druck steigt, wenn wir jetzt in die Ergebnisrücklage und in die Liquidität greifen.
In § 5 der Satzung stehen die Steuersätze, seit 2015 unverändert.
Grundsteuer A und B 400 %
Gewerbesteuer 380 %
Bei 380 % liegen wir bewusst, weil dort für Personengesellschaften die „Schmerzgrenze“ liegt und durch die Anrechenbarkeit der Steuer als Aufwand unterm Strich nicht mehr zu zahlen ist.
Jeden Euro, den wir aus der Gewerbesteuer einsetzen, müssen wir erst einmal vierfach reinbekommen. Man kann sogar, wenn man die nötige Dienstauffassung hat, sagen: Das müssen wir als Gemeinde auch erst mal verdienen.
Deswegen können wir froh sein, dass das Fundament für den Haushalt 2020 in der Vergangenheit gelegt wurde, als wir unsere Bauprogramme Wasser, Abwasser und Straße über Beiträge finanzieren. Für die Jahre 2021 bis 2026 haben wir ja die Fortsetzung bereits beschlossen. Und die Straßensanierung folgt mit dem einfachen Einmalbeitrag, der in Raten geleistet werden kann.
Was nicht in diesem Haushalt steht, sondern im Wirtschaftsplan der Gemeindewerke, müssen wir aber zusammen betrachten und können es als gute Begründung für unsere Zukunfts-Investitionen benennen:
Wir haben unsere Infrastruktur konjunkturstabil, krisensicher und generationengerecht aufgebaut auf Beiträgen.
Sonderposten-Auflösung ist keine Reste-Rampe im Ramsch-Laden, sondern das ist die nachhaltige Verwendung des Bürgergeldes, das wir über die Beiträge eingesammelt haben. Im Ergebnis wird das Geld als Ertrag über längere Zeit aufgelöst – oder sagen wir besser: Jahr für Jahr in die Waagschale geworfen als Gegengewicht zur Abschreibung.
Anders als das Privatunternehmen müssen wir die Abschreibungen als Werteverzehr darstellen und wieder erwirtschaften.
Wenn wir also die Sonderposten nicht über die Jahre auflösen könnten, müssten wir der Abschreibung etwas anderes entgegensetzen. Mit Steuer würde das teuer….
Brauchen wir nicht, sondern in Eschenburg wird das finanzielle Fundament von Jahr zu Jahr größer.
2019 hatten wir auf der Ertragsseite aus dieser Sonderposten-Auflösung der Beiträge:
Straße: 264.800 €
Wasser: 153.420 €
Abwasser: 173.990 €
Macht zusammen 592.000 € rund. Mehr als eine halbe Million Euro, die wir jedes Jahr immer und immer wieder einsammeln müssten, wenn wir unsere Investitionen in die Infrastruktur mit Steuergeld finanziert oder die Bürger über Gebühr strapaziert hätten.
Auf Seite 20 begründen wir damit, warum wir uns eine Nettoneuverschuldung leisten können müssen und warum das Risiko beherrschbar ist.
- Für die Sanierung von Straßen und Plätzen sind 1,7 Mio. € eingeplant, die notwendig sind und sich auch in Teilen mit Beiträgen finanzieren lassen.
- Für die Schaffung von Bauland sind im Finanzhaushalt stehen 915.000 € im Haushalt als Vorfinanzierung. Diese Kredite wollen wir ja auch beim Bauplatz-Verkauf ablösen.
Auf über eine Million Euro summieren sich die Vorschläge unserer Ortsbeiräte in diesem Haushalt, darunter der Dorfplatz Wissenbach, das DGH Hirzenhain, Marktplatz Eibelshausen und ein behindertengerechter Umbau des DGH Eiershausen.
Wir haben ebenso für 161 T€ Verbesserungen an den Kitas eingeplant. Viele Vorschläge, die unser Bauamt in die Bauprogramme aufgenommen hat. Was wie wo und warum hat Bauingenieur Reiner Müller bereits im Bauausschuss und im Finanzausschuss vorgestellt und erläutert.
Für die Netto-Neuverschuldung erklärt werden auch 100.000 € Planungskosten für den Neubau eines viergruppigen Kindergartens. Die Fördertöpfe für einen Bau sind zwar aktuell leer, aber wir müssen vorbereitet sein, unseren Bedarfsplanung – bezogen auf die ganze Gemeinde – zu betreiben und verlässliche Angebote zu machen.
Freilich kann Bedarf nicht immer einzelne Bedürfnisse abbilden, aber der zentrale Standort in Eiershausen ist die beste Option.
Vorteile:
- Eigenes Grundstück
- Günstige Lage
- Bushaltestelle in der Nähe
- Neubaugebiet geplant
- Gewerbegebiet in der Nähe
Solange niemand eine bessere Möglichkeit aufzeigen kann, werden wir auf diesem Weg weiter für einen Kita-Neubau planen.
Ähnlich fürs Ganze werden wir alle denken müssen, wenn 115.000 € Planungskosten für den Neubau eines Feuerwehrgerätehauses umzusetzen sind. Da steht noch keine Ortsangabe. Der Prüfdienst des Landes Hessen hat uns drei Standorte verworfen, für die wir eine Sanierungsstrategie und die Aufstellung unserer Feuerwehr in Eschenburg im Blick haben müssen.
Änderungen im Stellenplan, wie sie der Gemeindevorstand vorschlägt, hat Rainer Deutsch im Haupt- und Finanzausschuss vorgestellt. Die neuen Stellen sollen die Schlagkraft der Truppe erhalten und sich selbst tragen. Eine neue halbe Stelle im Fachbereich 2 (Bürgeramt) soll eine ganze Stelle Verstärkung fürs Ordnungsamt bringen.
Eine Stelle für den Bauhof soll uns zwischenzeitlich Engpässe beheben, die spätestens bei jedem Winter auf uns zukommen, und für die Zukunft der Personalentwicklung dienen, wenn bald weitere Kollegen in Ruhestand gehen.
Wir sehen immer wieder, wie gut es ist, wenn man sich selbst helfen kann und nicht auf die fremde Fachfirma warten muss.
Viel Eigeninitiative und Eigenregie krempelt übrigens gerade unseren Sportstättenbau um: Der SSV Wissenbach ist fest entschlossen, einen Kunstrasen selbst zu bauen und auch selbst die Finanzierung aufzubringen.
Wir als Gemeinde Eschenburg helfen mit Rat und Tat, Zuschüssen für Zins und Tilgung, halten uns aber ansonsten zurück. Warum? Vereine bauen besser selbst, weil sie mehr Zuschüsse erhalten und die Gemeinde die Abschreibung nicht im Haushalt gebrauchen kann.
Das ist ein gutes Beispiel für Bürgersinn, mit dem wir ins Jubiläums- und Wahljahr 2021 gehen sollten. Grundlage dafür bietet uns nun dieser Haushalt.
Gemeindevertretung und Ortsbeiräte haben den Haushalt mit seinen insgesamt 218 Seiten heute alle bekommen, so wie ihn der Gemeindevorstand per Beschluss am 28.10.2020 im Entwurf festgestellt hat und nun in die Beratung einbringt.
Ausschuss und Vertretung haben ihre Termine, damit der Haushalt am 10. Dezember beschlossen werden kann.
Die Ortsbeiräte sind gebeten ihre Stellungnahme zum Entwurf des Etats – und allein das steht in der HGO – abzugeben, und zwar bei mir bis 30.11.2020 um 15 Uhr, damit ich die Stellungnahme mit in den Gemeindevorstand nehmen kann. Der Gemeindevorstand ist immer der Ansprechpartner der Ortsbeiräte und trägt die Meldungen weiter in die Beratungsfolge. Keine Stellungnahme wird als Zustimmung gewertet.
Bitte bei allen Terminen dran denken. Sitzungen haben zwar bei den Corona-Verordnungen einen Sonderstatus, aber wir sollten auch immer daran denken, uns nicht zu vielen Aerosolen auszusetzen. Bevor wir also um einzelne Positionen und verschiedene Meinungen feilschen und ringen, sollten wir lieber daran denken, uns im Jahr 2021 – in dem eine Kommunalwahl und eine Bundestageswahl anstehen und in dem die Gemeinde Eschenburg 50 Jahre alt wird – möglichst Optionen offen halten und den Haushalt gewöhnlich früh beschließen und genehmigt bekommen.
Es wäre bedauerlich, wenn der Haushalt erst nach der Kommunalwahl verabschiedet werden kann. Bis dann die Genehmigung der Aufsicht vorliegt, ist das halbe Jahr vorbei und wir werden die Vorschläge und Vorhaben, die im Haushalt berücksichtigt sind, trotzdem nicht oder nur zum Teil umsetzen können. 2021 wäre dann ein verlorenes Jahr.
Machen wir es nicht so, wie der langjährige Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel warnt, wenn er die die freudige Debatte so erklärt: „Finanzpolitik – das ist die Auseinandersetzung zwischen jenen Leuten, die eine Mark haben und zwei ausgeben wollen, und jenen anderen, die wissen, dass das nicht geht.“
Wir wünschen dem Haushalt und den Gremien gutes Beraten.