Tag Archive: Landgraf Philipp von Hessen

„Hinterländer Mountainbiker“ gelingt der Heimritt nach Hessen

Heimkehr nach Hessen: Den Weg von Landgraf Philipp aus der Gefangenschaft in Belgien zurück nach Hessen wollen die Histo(u)riker als nächstes nachfahren und am 5. Mai an der Philippsbuche ankommen, die als Erinnerung an das Ereignis bei Simmersbach steht.

Hinterländer Mountainbiker sind auf dem Weg

Die Hinterländer Mountainbiker sind seit Mittwoch (27. August 2020) auf dem „Heimritt“ und bewegen sich auf den Spuren von Landgraf Philipp von Belgien nach Hessen. Der Landesvater ist 1552 auf dieser Route für damalige Verhältnisse nachhause geeilt, nachdem er fünf Jahre in Gefangenschaft gewesen war. Die Pedalritter erwartet zuhause kein Kerker und auch keine Quarantäne, denn die fünf haben sich von Risikogebieten fern geblieben und haben Abstand gehalten, aber der „Empfang“ heute am Samstag (29. August) wird zu einer Corona-Demonstration FÜR die Regeln von Abstand und Anstand. An der Philippsbuche, die heute noch an die Rückkehr des Landgrafen erinnert, warten Posaunenchor, Verschönerungsverein und Bürgermeister, um die „Histo(u)riker“ wohlbehalten zurück willkommen zu heißen.

Wir lesen im Tagebuch der Tour:

1. Etappe: Von Löwen nach Heerlen August 2020

„Andere Länder andere Sitten“

Unser Startpunkt heißt Löwen (Leuven), die lebendige, flämische Universitätsstadt ca. 20 km westlich von Brüssel am Ufer der Diyle gelegen. Wir sind völlig überrascht von der Konsequenz, was die Maskendisziplin und das Hygienekonzept in unserem Hotel angeht. Hier trägt JEDER eine Maske und das mit gutem Grund, denn die Strafen sind drakonisch. Für uns bedeutet das, dass das auch auf unseren bikes in Städten für uns gilt. Wir starten pünktlich um 9 Uhr am Stadhuis (Rathaus), einem der schönsten gotischen Gebäude Belgiens. Schon vor 21 Jahren suchten wir hier im Archiv nach Hinweisen auf den Ort, an dem Philipp zuletzt gefangen gehalten wurde, nachdem er am 19.05.1547 nach verlorenem Schmalkaldischen Krieg von Herzog Alba über Süddeutschland zunächst nach Oudenbarde und schließlich am 29.05.1550 nach Mechelen gebracht wurde. Mit neuester Kameraausrüstung und unseren brandneuen BULLS Sonic e-bikes machen wir uns durch die herrliche Altstadt auf den Weg zu unserer 3-Tagestour. Vor 21 Jahren brauchten wir mit unseren konventionellen bikes noch 4 Tage. Sicher ist auch das hervorragende Zweiradwegenetz ein Grund dafür, denn Rad fahren wir hier groß geschrieben.
Die Route führt uns heute, auf ungewohnt flachem Gelände (höchste Erhebungen<100m über NN) über Korbeck-lo, Boutersem, Roosbeck teilweise entlang der N3, aber auch auf malerischen Hohlwegen auf der Oude Baan (alte Straße) nach Tienen. Ab hier folgen wir den Spuren Philipps, der am 5.09.1552 nach über 5-jähriger Gefangenschaft in Begleitung eines Ehrengeleites von 300 spanischen Reitern, einigen Getreuen und mit Geleitbriefen der Erzbischöfe Köln, Jülich und Nassau in seine Heimat aufbrach.

Wir verlassen die Stadt über die Maastricht Gate, an deren Stelle heute die Kirche St. Peter steht, um nach einem Kilometer auf den ersten deutlichen Hinweis der Römerstraße zu stoßen. Tumuli heißen die drei mächtigen Grabhügel, die als Beweis für die romanische Wegeführung, die auch noch zu Philipps Zeiten genutzt wurde, dienen. Entsprechend den römischen Jenseitsvorstellungen wurden die Toten in unmittelbarer Nähe der Lebenden an den Ausfallstraßen der Ansiedlungen bestattet. Je höher Stellung und Einfluss des Toten im Leben gewesen waren, umso auffälliger war sein Grabmal und umso näher lag es an der Straße.

Kurz hinter Hakendover verlassen wir die N3 und treffen auf den „Romeinse Steenweg“ der uns, begleitet von blühenden Obstplantagen und Erbeerfeldern, schnurgerade (typisch für Römerstraßen), nur kurz von einer neuen Bahnverbindung unterbrochen, nach St. Truiden bringt. Wir folgen weiter der Römerstraße, die noch bis in die 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts als Hauptverkehrsader genutzt wurde, über Groot-Loon, Bommershoven und Piringen entsprechend mittelalterlicher Reiseberichte nach Tongeren, eine der ältesten Städte Belgiens. Bereits in der Römerzeit bestand die Siedlung Aduatuca Tungrorum von deren Stadtbefestigung heute noch Teile erhalten sind. Eine weitere Sehenswürdigkeit ist die Onze-Lieve-Vrouwe-Kerk, eine frühgotische Kirche mit romanischem Kreuzgang. Auf der N79 verlassen wir Tongeren in nordöstlicher Richtung, bis wir in der Nähe des Galgenberges wieder auf den “Romeinse Steenweg“ abbiegen. Dem folgen wir nach Maastricht der letzten östlichen Festungsstadt der Spanier, und überqueren am Stadtrand fast unbemerkt die heutige Grenze zu den Niederlanden, wären wir nicht in Corona Zeiten unterwegs. Denn ab hier kennt man keine Maskenpflicht mehr, was uns durchaus etwas Unbehagen bereitet. Über die Meuse (Maas) gelangen wir in den Stadtteil Wyck. Obwohl Philipp hier übernachtete, ziehen wir weiter, denn unser Etappenziel heißt Heerlen. Durch den Vorort Meersen fahren wir auf Asphalt über St. Gerlach vorbei an einem von künstlichen Höhlen zerklüfteten Sandsteingebirge durch Valkenburg auf der “Steinstraße“ nach Klimmen. Nachdem wir die A79 und die A76 unterquert haben, erreichen wir endlich um 19.0 Uhr unser im Süden der Provinz Limburg gelegenes Tagesziel.

Die Fakten des Tages:
Strecke: Leuven – Heerlen 118 Km
Höhenmeter: 768 m
Schnitt: 19,8 Km/h
Nettofahrzeit: 5 Stunden 47 Minuten
Pannen: keine


2. Etappe: Von Heerlen nach Overath 28. August 2020

„Keine Wechselpferde dafür aber Wechselakkus“

Um 8.45 Uhr holen unsere Bikes wieder aus der gut bewachten und kostenlosen Fahrradgarage (Fietsenstalling) ab und verlassen das für seine Stahl -und Bekleidungsproduktion bekannte Industriezentrum in Richtung Rimburg an der Wurm. Moderne Radwege wechseln sich mit der Jahrtausende alten Römerstraße ab. Nach der Fluss Überquerung befahren wir schon deutsches Gebiet, als wir Schloss Rimburg passieren, um nach Palenberg zu gelangen. Die Grenze macht sich fast nur durch deutlich schlechter werdende Radwege bemerkbar. Über offenes Acker – und Weideland vorbei an Beckendorf, Setterich und der Burg Engelsdorf, erreichen wir nach der Ruhrüberquerung Jülich. “Ohne Römerstraße gäbe es Jülich nicht.“ Mit diesem Satz lässt sich die Bedeutung der Ost – West – Straße Köln – Bologne – sur – Mer für die ehemalige romanische Straßenstation zusammenfassen. Im Zentrum, der auf die romanische Siedlung Juliacum zurückgehenden Stadt, nimmt uns die gut bekannte B55 wieder auf und führt zu alten römischen, mittelalterlichen und preußischen Meilensteinen. Hier beginnt das größte Tagebaugebiet (8500ha) der Welt, Hambach. Den Ort Steinstraß, den unsere Reiseroute als nächste Station nennt, gibt es nicht mehr. Er wurde genau wie die B55 und somit unsere Römerstraße Opfer der Braunkohle. Ein Schurf von Archäologen 1987, 10m breit, quer durch die Wegeführung der Bundesstraße geschnitten, bestätigte die Vermutung, dass der Verlauf der B55 exakt dem Fundament der Römerstraße folgt. Reisende im Mittelalter, Landgraf Philipp und seine 300 Begleiter, aber auch Napoleon folgte noch der über 2000 Jahre alten Verkehrsader. Vor uns liegt nun die Sophienhöhe, eine künstliche Erhebung, die durch Rekultivierung der abgetragenen Bodenschichten entstanden ist. Nachdem wir den Gipfel des 293m “hohen Berges“ erreicht haben, staunen wir über die Dimensionen des Tagebaugebietes. Sicherheitstechnische Gründe hindern uns allerdings daran, der exakten Linienführung zu folgen, deshalb treffen wir nach ca. 2 Km kurz vor Elsdorf auf die alt bekannte B55. Südlich von der Kleinstadt Bergheim, die uns als Ort an der mittelalterlichen Verkehrsader bekannt ist, überqueren wir auf der K 34 die A61 und erreichen Quadtrath, an dessen Ortsrand sich Schloß Schlenderhahn befindet. Im Ort Königsdorf kreuzen wir die B55 und folgen dem Fernradweg R20 der parallel zur Bundesstraße/Römerstraße) verläuft bis Lövenich und schließlich Köln. Philipp machte hier in der viertgrößten Stadt Deutschlands, die schon zu Zeiten des Landgrafen ein wichtiges Mitglied der Hanse war, Rast. Fast wäre er schon zwei Jahre früher hier eingetroffen. Ein Biedenköpfer namens Kurt Breidenstein war es, der am 23.12.1550 aufgrund seiner guten Ortskenntnisse bis Köln, maßgeblich an einem Fluchtversuch Philipps beteiligt war. Das Unternehmen scheiterte kläglich und 6 Verbündete Philipps verloren dabei Ihr Leben. Uns standen, im Gegensatz zu Philipp damals, zwar keine Wechselpferde zur Verfügung, dafür aber Wechsel Akkus.

Und so überqueren wir, energietechnisch gut gestärkt die Deutzer Brücke. Die B55 führt uns durch den Vorort Kalk, deren Kapelle noch vor 150 Jahren alleine auf weiter Flur stand, über Hohenburg nach Brück, einer ehemaligen Zollstation des Mittelalters. Dem “stop and go“- Verkehr der endlosen, ampelgeregelten Kreuzungen entflohen, erreichen wir im Königsforst das Rheinische Schiefergebirge. Südöstlich von Refrath verlassen wir die B55 und treffen auf die Brüderstraße, auf der wir, begleitet von Hohlwegbündeln hinab nach Buchholzer Hof und weiter, den Königsforst verlassend, nach Untereschbach gelangen. Ein großes Kreuz und eine Förderstation deuten auf die unweit dieser Abfahrt gelegene Bleigewinnung bei Lüderich hin. Schon seit der Keltenzeit wurde hier das Schwermetall gewonnen. In Untereschbach queren wir das Sülztal und erreichen auf der L136 über Steinbrück Heiligenhaus. Ein herrlicher Downhill führt uns ins Aggertal zu unserem Etappenziel Overath, das schon 1064 als “Achera“ ihre erste Erwähnung fand.

Die Fakten des Tages:
Strecke: Heerlen – Overath 131 Km
Höhenmeter: 973 m
Schnitt: 19,8 Km/h
Nettofahrzeit: 6 Stunden 24 Minuten


3. Etappe Von Overath zum Staffelböll bei Simmersbach 29.08.

Empfang fast wie zu Philipps Zeiten

7.30 Uhr, heute geht’s früh los, denn wir müssen pünktlich ankommen. Über Burg, in dessen Nähe eine Mittelalterliche Wallburg den Verkehr überwachte, und Bücherhöfchen erklimmen wir nach steilem Anstieg Marialinden. Wir folgen der L 360 Richtung Landwehr und auf dem R20 weiter bis Federath. Weiter geht es auf dem X22, der uns 100 Hm hinauf, begleitet von Hohlwegen, zum Heckberg führt.

Nachdem wir die Aussicht bis in die Eifel genossen haben, führen uns des Landgrafs Spuren über Drabenderhöhe, Abbenroth und Hübender nach Oberbierenbach. Eigentlich war Philipps Ankunft für den 9. September in St.Goar geplant, kurzfristig aber über Denklingen und Siegen nach Simmersbach verlegt worden. Dem damals 43-jährigen standen dank guter Planung, an der auch diesmal der Biedenköpfer Konrad (Kurt) Breidenstein beteiligt war, Wechselpferde zur Verfügung. Wir sollten das in den drei Tagen (Philipp brauchte 6 Tage für die gleiche Strecke) nicht nötig haben. Denn BULLS bikes bereiteten uns keinerlei Probleme, im Gegenteil. Der mit dem Florentiner Kaufhaus Scarini in Antwerpen handelnde Kaufmann, genannt der „Biedenkapper“, wurde übrigens als Dank später mit dem Hof Roßbach bei Wallau belehnt.

Über Hardt erreichen wir die K17, die uns nach Rohrfeld Eiershagen bringt. Eine herrliche Abfahrt führt uns nach Denklingen, hier in der alten Burg übernachtete Philipp. Wir folgen der L-344 teilweise parallel nach Erdingen, um auf die alte Nutscheidstraße, deren alte Wegeführung noch deutlich zu erkennen ist, zu stoßen. In Erdingen angekommen, entdecken wir ein Straßenschild “Alte Römerstraße“. Obwohl wir wissen, dass es östlich des Rheins keine Römerstraße gab, ist dies doch ein Hinweis auf die alte Wegeführung, der wir bis Forsthaus Mohrenbach folgen. Hier verlassen wir den X12 halbrechts an einer Schranke auf einer rasanten Schotterabfahrt hinunter nach Weierseifen. Aus Zeitgründen lassen wir das sehenswerte, an einer Talquerung der älteren Wegeführung der Brüderstraße gelegene Wasserschloß Krottorf rechter Hand liegen. Ein beachtlicher Anstieg, von extrem tiefen Hohlungen begleitet, führt uns über die Hammerhöhe nach Hohenhain an der alten Schanze(ehemaliger Bestandteil der Siegischen Amtsheege). Am östlichen Ortsausgang ist die ehemalige Grenzbefestigung gegen Nassau noch gut zu erkennen. Nachdem wir die Kreisstraße verlassen, folgen wir dem X19 hinunter nach Freudenberg. Über Lindenburg auf der alten Landstraße erreichen wir die Anschlussstelle der A 45, und überqueren diese. Die K 6 bringt uns durch das Tal der Alchenbach über Alche und Seelbach nach Siegen, wo Philipp 25 Jahre vor der Geburt des Malers Peter Paul Rubens übernachtete. Nahe des Ortseinganges befindet sich eine Gemarkung mit dem Namen Siechhausen, ein eindeutiger Hinweis auf Wohnungen der im Mittelalter ausgestoßenen Leprakranken. Der Siegüberquerung folgt der Anstieg zum Schloss. Durchs Marburger Tor führen uns Philipps Spuren hinab ins Weißtal nach Kaan-Marienborn über Feuersbach, Flammersbach auf einem Feldweg nach Anzhausen. Ein schwerer Anstieg zum Sieg – Weiß – Kamm bringt uns zur Raute 4 Markierung. Bis oberhalb Irmgarteichen folgen wir der Raute, bleiben dann aber der von mittelalterlichen Wegespuren begleiteten historischen Route bis zur Haincher Höhe treu. Über Ewersbach und Steinbrücken erreichen wir auf steilem Anstieg am Burgberg hinauf die Philippsbuche. Wie schon am 10.09.1552 Philipp, der von seinen vier Söhnen, den Räten und sonstigen Getreuen und begleitet von 300 spanischen Reitern empfangen wird, werden auch wir natürlich in kleinerem aber feinen Rahmen erwartet. Eingerahmt von den feinen Klängen protestantischer Noten des Simmersbacher Posaunenchores werden wir von unseren Familienangehörigen, dem Ortsvorsteher, dem Verschönerungsverein und Bürgermeister Götz Konrad gebührend empfangen

Hier beenden wir und unser Gastfahrer Gerhard Pfeifer nach 350 Km unseren pannenfreien 3-Tagesausflug in die Geschichte. Philipp reiste übrigens weiter über Marburg, Homberg bis nach Kassel.

Besonderer Dank gilt besonders dem „Besenwagenfahrer“ Reinhard Balzer, sowie Heinz Blöcher, der mit großem Fleiß bei den Recherchen unterstützte.

Die kostenlosen GPS Daten, sowie unsere 42 seitige Projekt Broschüre mit Wegebeschreibung und Geschichtlichen Hintergründen finden sie auf der Homepage der HMB https://www.hinterlaendermountainbiker.de/shop/

Die Fakten des Tages:
Strecke: Overath – Staffelböll 99,96 Km
Höhenmeter: 1980m
Schnitt: 18 Km/h
Nettofahrzeit: 5 Stunden 21 Minuten
Pannen: keine


Geschichte er-fahren: Landgraf Philipps Heimritt

Schon vor über 400 Jahren stand das „Hinterland“ im Focus der deutschen Geschichte. Nicht nur Simmersbach stand im Mittelpunkt der Geschichte, auch die Ortschaft Dernbach (Bad Endbach) und ein von einem Hinterländer angeführtes „Sondereinsatzkommando“ zur Befreiung Philipps sorgten damals schon für Schlagzeilen. Vom 27. bis 29. August planen die „Hinterländer Mountainbiker“ zum zweiten Mal „Landgraf Philipps Heimritt“. Am Samstag (29. August) um 16 Uhr wollen sie in Simmersbach ankommen, wo die Philippsbuche heute noch den Schauplatz der Geschichte markiert.

Wir erzählen hier noch einmal die Geschichte und schildern den Ansatz der Radler, „Geschichte (er)fahren“ zu wollen: Nach dem verlorenen Schmalkaldischen Krieg unterzeichnete Landgraf Philipp in aussichtsloser Lage am 12. Juni 1547 seine Kapitulation und reiste nach Halle, wo er dem Kaiser die zugesagte feierliche Abbitte leistete. Entgegen den Erwartungen wurde er jedoch noch am gleichen Tag gefangengesetzt und von Herzog Alba in die Niederlande gebracht. Man erzählt, Philipp habe bei dem Fußfall gelächelt, worauf der Kaiser zornig gerufen habe: „Woll, ick sall Euch lachgen lehren!“

Kaiser Karl V., der seit 1516 spanischer König war, wurde 1519 zum deutschen Kaiser gekrönt. Er führte eine Reihe ungewöhnlicher Sitten an seinem Hof ein, unter anderem erklärte er Spanisch zur neuen Verkehrssprache. (Eine Verkehrssprache ermöglicht Menschen mit unterschiedlichen Muttersprachen, sich in Handel, Verwaltung und Wissenschaft in einer einheitlichen Sprache verständigen zu können). Daher rührt das Sprichwort, „das kommt mir Spanisch vor“.

Kerker des Landgrafen: Philipp von Hessen soll fünf Jahre lang in diesem Stadttor in Löwen (heute: Belgien) gefangen gehalten worden sein.

Landgraf Philipp schmachtete über fünf Jahre in den spanischen Niederlanden im Kerker. Nach unseren Recherchen im Stadtarchiv in Löwen (Belgien) diente das Stadttor La Porte für Philipp als Gefängnis.

Erst am 05.09.1552 wurde er von der Königin Maria auf freien Fuß gesetzt und ritt, begleitet von 300 spanischen Reitern, zurück in seine Heimat Hessen. Am Staffelböll bei Simmersbach betrat der stark gealterte und ergraute Fürst erstmals wieder hessischen Boden.

Fast wäre Philipp schon zwei Jahre früher dort eingetroffen. Denn ein Biedenkopfer namens Kurt Breidenstein (genannt der „Biedenkopper) war es, der am 23.12.1550 aufgrund seiner guten Ortskenntnisse bis Köln, maßgeblich an dem Fluchtversuch Philipps beteiligt war. Das Unternehmen scheiterte nach Verrat kläglich und sechs Verbündete Philipps verloren dabei ihr Leben. Die Haft des Landgrafen wurde nun verschärft, er durfte keine Briefe mehr absenden und kam in einen Kerker mit nur 3,5 m Länge und mit Fenstern die acht Monate vernagelt blieben.

Der Hinterländer konnte jedoch fliehen und war fast zwei Jahre später, dank seiner guten Planung, der Bereitstellung von Wechselpferden und seiner Wegekenntnis, entscheidend für die sichere Routenführung, wieder zu Hause. Dem mit dem Florentiner Kaufhaus Scarini in Antwerpen handelnde Kaufmann, wurde übrigens als Dank 1557 mit dem Hof Roßbach bei Wallau von Philipp belehnt und erhielt die Erlaubnis 1000 in Hessen gekaufte Kleider zollfrei auszuführen. Später wurde er Amtmann in Battenberg und Gießen.

Premiere: Vor zwei Jahrzehnten haben die Hinterländer Mountainbiker den Heimritt Landgraf Philipps schon einmal im Sattel nachvollzogen.

Diese spannende Geschichte hatten die Hinterländer Moutainbiker schon vor zwei Jahrzehnten mit enormen Aufwand recherchiert. Auf der Basis historischer Dokumente rekonstruierten sie den Heimweg und stiegen schließlich selbst für vier Tage in den Sattel, um mit dem Fahrrad die Geschichte zu (er-)fahren. Zum Vergleich: Philipp brauchte damals sechs Tage für die gleiche Strecke.

Die Histo(u)riker heute: Der Weg führt uns auch jetzt wieder von Löwen, wo wir (dieses Mal haben wir den BOSCH-Geschäftsführer Gerhard Pfeifer als Gastfahrer mit dabei, der uns bei unserem letztjährigen Russlandprojekt extrem unterstützt hatte) am 27. August starten werden, über St. Truiden und Tongeren in Belgien, Maastricht und Valkenburg in den Niederlanden nach Jülich in Deutschland. Wir folgen der Darstellung des Brüsseler Atlanten des Christian Grooten von 1573, die uns u. a. durch den Ort Steinstraß, also genau durch das Tagebaugebiet von Rheinbraun führt (übrigens mit 8.500 Hektar das größte Tagebaugebiet der Welt).  Auf dieser frühen Karte sind auf deutschem Gebiet nur 5 Orte genannt und markiert, einer davon ist der Hinterländer Ort Dernbach (Bad Endbach). Vor 21 Jahren erhielten wir schon einmal eine Sondergenehmigung, dieses Gebiet in Begleitung des WDR-Fernsehens zu durchqueren (dieses Mal wird es am 28. August sein), was übrigens auch eine fahrtechnische Herausforderung ist. Denn sowohl der Ort Steinstraß, wie auch die historische Wegeführung, fielen in diesem Abschnitt der Kohle zum Opfer.

Heimkehr nach Hessen: Den Weg von Landgraf Philipp aus der Gefangenschaft in Belgien zurück nach Hessen wollen die Histo(u)riker noch einmal nachfahren.

Weiter geht es dann über Köln, Drabender Höhe und Denklingen im Bergischen Land nach Siegen. Mit 87 km stellt diese Route die kürzeste Verbindung von hier nach Köln dar, die es je gab. Von Siegen aus geht es über die Haincher Höhe zu unserem Ziel Staffelböll (Philippsbuche) bei Simmersbach, welches wir am 29. August und dank unserer E-Bikes diesmal nach hoffentlich nur drei Tagen und 354 Kilometern erreichen werden. Das Fahrradmagazin „Bike BILD“ ist neben der OP und Mittelhessen.de diesmal auch wieder online in Tagebuchform mit von der Partie. Unterwegs werden wir sowohl mit unseren brandneuen „BULLS bikes“ und „Leica Action Cams“, wie auch mit einer Drohne, ausgestattet Filmaufnahmen machen. Unsere Bilder wird das Hessenfernsehen im Anschluss zu sendefähigen Ausschnitten bearbeiten. Denn schon am 1. September sind wir, übrigens nun schon zum dritten Mal, in der zweistündigen Live Sendung „Hallo Hessen“ eingeladen, um dieses Mal über unser Projekt 2020 zu berichten.

Wie schon so oft wird unser Freund und Mäzen Reinhard Balzer den Besenwagen steuern. Auch für ihn ist diese Geschichte etwas Besonderes, denn ihm wurde vor zwanzig Jahren die besondere Auszeichnung mit der silbernen Philipps-Plakette zuteil.

Es werden am 29. August bestimmt keine 4000 Besucher in Simmersbach warten wie 1952 bei der Einweihung der Gedenkstätte durch Kirchenpräsidenten Niemöller.

Dennoch würden wir uns freuen, wenn wir unsere letzten Filmaufnahmen von dieser Tour am späten Nachmittag des 29. August gemeinsam mit geschichtlich Interessierten  und Bikern an der Philippsbuche gestalten könnten.

Einweihung des Philipps-Denkmals 1952. (Bild: Heinz Blöcher)

 


„Hinterländer Mountainbiker“ starten wieder den „Heimweg nach Hessen“

Schon in der ganzen sprichwörtlichen Weltgeschichte herumgeradelt: Die „Hinterländer Mountainbiker“ hier bei ihrer Fahrt zum Fuji in Japan, beim Test auf einem Wolkenkratzer in Osaka, 160 Meter, 36. Stock.

Für die Zeit vom 27. bis 29. August planen die „Hinterländer Mountainbiker“ einen zweiten Versuch für „Landgraf Philipps Heimkehr“. Die Geschichts-Radler wollen nochmals Landgraf Philipp auf dem berühmten Heimritt aus der Gefangenschaft von Löwen bis Simmersbach folgen, wo heute noch die Philipps-Buche an dieses Ereignis des Jahres 1552 erinnert. Die Ankunft der „Pedalritter“ wird für 16 Uhr erwartet.
Es wäre zu schön gewesen, ausgerechnet in der Europa-Woche Anfang Mai auf den Spuren der europäischen Geschichte unterwegs zu sein und ausgerechnet in Eschenburg ans Ziel zu kommen. Was die „Hinterländer Mountainbiker“ ihre Tour verschieben ließ, bescherte Corona manchem Spaziergänger als unverhoffte Zeitreise.

Die Philippsbuche bei Simmersbach ist eine „Nahtstelle“ der hessischen und europäischen Geschichte. In den Landesfarben ziert sie das Simmersbacher Wappen.

„Zur Erinnerung an die Heimkehr des Landgrafen Philipp von Hessen aus 5-jähriger spanisch-niederländischer Gefangenschaft am 10.09.1552“, steht in großen Lettern in Stein gemeißelt unter dem Baum. Die Buche ist zwar nicht die erste am Standort, aber die Stelle ist verbrieft. Landgraf Philipp von Hessen, den man den „Großmütigen“ nannte, betrat hier erstmals wieder den Boden seines Heimatlandes. Er wurde am 05.09.1552 in Löwen, im heutigen Belgien, von Königin Maria auf freien Fuß gesetzt und ritt, begleitet von 300 spanischen Reitern, zurück in seine Heimat.
Die Philippsbuche ziert das Wappen der Simmersbacher, ist aber eine wichtige „Nahtstelle“ der Geschichte Hessens, Europas und auch Eschenburgs: Die Gemeinde wurde zunächst durch den freiwilligen Zusammenschluss der Dörfer Eibelshausen, Eiershausen und Wissenbach am 1. Oktober 1971 gegründet. Zum 1. Juli 1974 schlossen sich Hirzenhain sowie aus dem damaligen Kreis Biedenkopf die Gemeinden Simmersbach und Roth an. Damit war bereits zwei Jahre vor der hessischen Gebietsreform eine Großgemeinde mit zukunftsträchtigem Zuschnitt entstanden.
Die „Heimkehr nach Hessen“ von Löwen in Belgien zum Staffelböll bei Simmersbach haben die Hinterländer Mountainbiker schon einmal gefahren, wie sie auf ihrer Internetseite www.hinterlaendermountainbiker.de dokumentieren.  Für den Empfang der Histo(u)riker am 29. August an der Philippsbuche werden noch Ideen und Helfer gesucht.

Heimkehr nach Hessen: Den Weg von Landgraf Philipp aus der Gefangenschaft in Belgien zurück nach Hessen wollen die Histo(u)riker als nächstes nachfahren. Der Termin ist zwar wegen Corona verschoben, aber das wird die Hinterländer Mountainbiker nicht aufhalten.

Hinterländer Mountainbiker: Seit 1992 sind Harald Becker, Matthias Schmidt (beide Angelburg), Jörg Krug (Steffenberg), Siegfried Pitzer (Biedenkopf-Wallau) und Ulrich Weigel (Eschenburg-Roth) auf dem Bike unterwegs und wollen „Geschichte (er)fahren“. Die fünf Freunde haben schon viele geschichtsträchtige Touren unternommen. So waren sie in England auf Bonifatius‘ Spuren, wie Hannibal über die Alpen, sie radelten in China, Namibia, Brasilien, Japan und in den USA – immer mit einer besonderen Geschichte im Hintergrund und im Hinterkopf.

Der Film „Auf der Spuren der Wolgadeutschen“ (hier bei Youtube) führte mit dem jüngsten Abenteuer der Histo(u)riker nach Russland und Kasachstan.  „Genn Dach“, hallte es den fünf Freunden in Saratow freundlich entgegen. Einer Familien-Geschichte von Auswanderern folgend, trafen sie vor Ort auf Hinterländer Dialekt. Für die Kirche in Saratow war auch die Spendenaktion der Tour gedacht. Nachdem die Premiere in der Kulturscheune in Herborn rund 600 € ergeben hatte, verdoppelte der Abend im Bürgerhaus Eibelshausen die Hilfe für den Innenausbau des Gotteshauses auf 1.300 €.

Mehr Informationen über die Hinterländer Mountainbiker gibt es unter www.hinterlaendermountainbiker.de im Internet.